Die Automatisierung von Arbeit kommt. Eine viel beachtete Studie der Universität Oxford kommt zu dem Schluss, dass rund 47 Prozent der Beschäftigten in den USA aktuell in Berufen arbeiten, die in den nächsten 10 bis 20 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit automatisiert werden. Gefragt werden dereinst kreative Kompetenzen sein, die nicht so einfach digital abrufbar sind.
von Kerstin Wagner
Inzwischen gibt es auch mehrere Berechnungen für die Schweiz. In den nächsten zwei Jahrzehnten könnten rund 48 Prozent der Beschäftigten in der Schweiz durch Automatisierung ersetzt werden. Besonders betroffen sind beispielsweise Lastwagenfahrer, Buchhalterinnen, Steuerberater oder Call- Center-Verkäuferinnen. Und die ländlichen Regionen scheinen stärker gefährdet zu sein als städtische Gebiete.
Algorithmen übernehmen im Alltag
Doch wie werden Arbeiten automatisiert? Der wesentliche Treiber der Automatisierung ist das sogenannte maschinelle Lernen («Machine Learning»). Algorithmen analysieren Daten, lernen von bestehenden Mustern und können so neue Kontexte erschliessen und bessere Vorhersagen treffen. Somit ist jede Arbeit –egal ob körperlich oder geistig – automatisierbar, wenn sie einer Routine unterliegt, sich wiederholt und vorhersehbar ist. Bereits heute übernehmen Algorithmen eine ganze Reihe an komplexen Aufgaben im Alltag und der täglichen Routine. Über Smartphones und Apps können Nutzer Kleider einkaufen, soziale Kontakte pflegen, sich an neue Orte bringen lassen, sich Musik oder Bücher vorschlagen lassen oder Nachrichten lesen. Wenn man etwas nicht weiss, fragt man Google, Siri oder Alexa.
Akteure werden zu Beobachtern
Auf den ersten Blick scheint es, als würde die Automatisierung dazu führen, dass sich Menschen nicht mehr lästigen Alltags-Aufgaben widmen müssen. Doch die Nutzung von Algorithmen führt auch dazu, dass sich ganz generell das Verhalten von Nutzern verändert. Sichtbar wird dies, wenn während einer Autofahrt das Navigationssystem oder beim Verfassen eines Textes die Word-Rechtschreibeprüfung nicht zur Verfügung stehen. Die Automatisierung verwandelt so einen handelnden Akteur in einen Beobachter, der sich zunehmend schwertun wird, Informationen in echtes Erfahrungswissen zu verwandeln.
Neue Kreativ-Fähigkeiten sind gefragt
Oxford-Forscher schlussfolgern demnach in ihrer Studie, dass jene Jobs überleben werden, die Kreativität erfordern, nicht einem bestimmten Muster folgen oder intensiven sozialen Austausch mit Menschen erfordern. Für Arbeitnehmende, Organisationen und vor allem für Aus- und Weiterbildungseinrichtungen stellt sich daher die Frage, wie Kreativität, Erfahrung, Lernen und soziale Interaktion (weiter-)entwickelt werden können – ohne dass diese von immer mehr automatisierten Tätigkeiten unterdrückt werden. Womöglich ist es nicht damit getan, in neue Technologien und Programmiersprachen zu investieren – sondern in Köpfe, die Fähigkeiten entwickeln, die nicht so einfach über Google erfragbar sind.
Kerstin Wagner ist Professorin an der HTW Chur und leitet den Kompetenzschwerpunkt «Digitale Strategien» an der HTW Chur
Das Team des Kompetenzschwerpunkts «Digitale Strategien» entwickelt mit Unternehmen und Organisationen Ansätze, wie digitale Technologien in Einklang mit den Unternehmenszielen eingesetzt und sinnvoll genutzt werden können. Kontakt: kerstin.wagner@htwchur.ch