Geteilte Führung als Antwort auf steigende Führungsanforderungen
Veröffentlicht am 04.11.2024
Die Anforderungen an Führungskräfte steigen. Sprunghafte Technologieentwicklungen, abweichende Wertevorstellungen jüngerer Generationen, anhaltender Wettbewerbsdruck oder sich verändernde Kundenbedürfnisse: Stets gilt es, den Überblick zu bewahren, die richtigen Entscheide zu fällen, den Mitarbeitenden Orientierung zu bieten – und dabei selbst mit den Veränderungen klarzukommen. "Geteilte Führung" bietet Ansatzpunkte zur Überwindung dieser Ansprüche.
Von Alexander Villiger, Leiter Personal der Graubündner Kantonalbank
Von Entscheidungsträgern wird heute erwartet, dass sie "beidhändig" führen: Dies bedeutet, dass moderne, wirkungsvolle Führung zum einen das operative Tagesgeschäft beherrscht, die Fehlerrate im Griff hat und mit dem Team die Produktivität steigert. Zum anderen soll eine inspirierende Führung den Nährboden bereiten, damit Mitarbeitende gewohnte Pfade verlassen, anders denken, Risiken eingehen und so für die erforderliche Innovationskraft im Unternehmen sorgen.
Weiter gilt für Vorgesetzte, dass sie nicht nur die fachliche Führung abdecken und die Mitarbeitenden in der Entwicklung der erforderlichen Kompetenzen begleiten. Vielmehr sollen die Verantwortlichen auch die Personalführung beherrschen, indem die Teammitglieder "empowered" werden – und dies selbstverständlich positiv, empathisch und inspirierend, damit diese motiviert ans Werk gehen und täglich Kundinnen und Kunden begeistern.
Geteilte Führung als Alternative
Verständlich, dass viele etablierte Chefinnen und Chefs ob diesen Anforderungen an sich zu zweifeln beginnen und junge Talente sich gar nicht erst zumuten, eine leitende Position zu übernehmen. Ein vielversprechender und wirkungsvoller Ansatz ist, die Verantwortung auf verschiedene Schultern zu verteilen. Also die Führungsaufgaben aufzuteilen. Dabei unterscheiden wir zwischen Co- und Shared Leadership.
Co-Leadership: Fach- und Personalführung
Im Falle von Co-Leadership übernehmen mehrere Führungskräfte gemeinsam die Verantwortung für ein Team ("top down-Ansatz"). In veränderungsreichen Zeiten suchen Mitarbeitende Orientierung, Sicherheit und benötigen regelmässige, stufengerechte Informationen. Ein Fachexperte bringt diese Eigenschaften selten mit, weil er auf die Optimierung des Problems fokussiert ist und es vorzieht, Lösungen zu erarbeiten. Hier macht es womöglich Sinn, die Fachführung in einem Co-Leadmodell mit der menschlichen Komponente zu ergänzen, indem eine weitere Führungskraft den "People Lead" übernimmt.
Shared Leadership: Das Team übernimmt
In veränderungsreichen Zeiten und flacher werdenden Organisationsformen gewinnt die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden an Bedeutung. Inspirierende, ermunternde Führung, Freiräume und Vertrauen sind die Zutaten, die den Erfolg in Netzwerken sicherstellen. Die Vorgesetzten werden hier zu Coaches, welche Führungseigenschaften bei den Mitarbeitenden fördern – und sich entlasten, indem sie die Führungsarbeit als kollektive Leistung sehen und die erforderlichen Kompetenzen ans Team abgeben. Beim Shared Leadership werden somit Führungsaufgaben von Mitarbeitenden übernommen ("bottom-up-Ansatz").
Geteilte Führung im Vorteil
Wie jüngste Forschungsergebnisse der Universität St. Gallen aufzeigen, sind geteilte Führungsmodelle der Einzelführung deutlich überlegen. Sowohl in der Steigerung der Produktivität als auch in der Innovationskraft – und letztlich in der Wertschöpfung von Unternehmen. Der Fokus der Führung verschiebt sich damit von der vertikalen hierarchischen Führung hin zum Stärken horizontaler Führungseigenschaften im Team ("Empowerment"). Die besten Resultate erzielen Vorgesetzte, die eine Kombination von Positive Leadership und Shared Leadership leben, wobei letzteres einen höheren Einfluss auf die Team-Performance hat.
Bild: zVg GKB